Geschichte der Friedhofskapelle

Seit im September 1982 in der Friedhofskapelle das Heimatmuseum eingerichtet ist, gilt das Interesse außer den Ausstellungsgegenständen auch dem Gebäude, welches durch das Museum vollständig „zweckentfremdet“ worden ist. Von vielen Besuchern hörten wir, es sei bedauerlich, dass dieses Gebäude nicht früher schon zur Aussegnungshalle umgebaut worden sei und erst jetzt einem Zweck zugeführt werde, der mit der ursprünglichen Bestimmung nichts zu tun habe. Nun, dieser ursprünglichen Bestimmung diente die Kapelle zumindest seit 1964 schon nicht mehr, seit die katholische Kirchengemeinde, die sie in der Nachkriegszeit als Gottesdienstraum benutzt hatte, in ihre neu gebaute Kirche umzog. Ab 1964 stand die Kapelle also leer.                                                                                                    Seit wann steht nun im Schwaigerner Friedhof eine Kapelle?                                                                                                                                                                  Nicht erst seit 1870, wie es die Jahreszahl unterhalb der Glocke auf der Westseite Glauben macht! Wohl im Zusammenhang mit dem Umbau der alten romanischen zur spätgotischen Stadtkirche Bernhard Sporers in den Jahren 1514 bis 1520 wurde der „Kirch“-hof von der Kirche weg an den Platz verlegt, wo er sich heute noch befindet. In diesen neuen Friedhof wurde 1589 eine Kapelle gebaut. In der Nordwestecke des heutigen Gebäudes finden wir eine Inschrift, die dies bezeugt und gleichzeitig Aufschluss gibt über die Finanzierung des Baus:

ANNO D. 1589 JAR WAR MIT GOTT DURCH HIERIN GESCHRIEBENEN PERSONEN DIESER BAU ANGEFANGEN.                                                                                            DIE ZWEN BAUMAISTER NEMLICH HANS EBELMANN UND DER ZEIT SCHULTAS GEBEN XX GULDEN                                                                                                            HANS BECKER 2 GULDEN                                                                                                ZACHARIAS FRANTZ AMPTMAN X GUL                                                                        MATHIAS BERINGER AMPTMAN 2 GULD                                                                        ABRAHEM REDER PFARHERR 5 GUL                                                                              HANS LUTZX GUL                                                                                                                GEWER DIETER 4 G                                                                                                            PALEN EBELMAN 4 G                                                                                                        JACOB KNIER 3 G                                                                                                              WENDEL BUSCH 2 G                                                                                                          HANS NORTEN 2 G                                                                                                              MIAS FRANCK 1 G                                                                                                              MORITZ KOBER 1 G                                                                                                            BASTI REICHAT 1 G                                                                                                            SUMA 68 GULDEN 

Auffallend ist allerdings, dass die Summe nicht stimmt!

Diese Kapelle muss ein sehr einfacher Bau gewesen sein: Nur die Südwand war ganz gemauert aber ohne Fenster; die drei übrigen Seiten waren entweder in Fachwerkbauweise erstellt oder ganz aus Holz. Nur die Nordseite hatte Fenster. Bereits 1740 war die Kapelle stark baufällig. Ein diesbezüg-licher Bericht von 1743 sagt folgendes aus:

„Bei Besichtigung der Kirich in dem Kirichhof zu Schwaigern hat sich gefunden, dass dieselbe zum Däglichen Einfallen anscheinet, und ist mehrentheils das Holzwerk zerfault. Dann auch ist die Kirch viel zu nieder, und unden der Fussboden zwey Schuh zu dief in de Erden. Auch ist sie allerorten offen, dass der Wind den Regen und den Schnee hineinwehet, so dass man die Kirch bey Vergrabung der Toden nicht mehr gebrauchen kann. Und wann man dieselbe reparieren wollte, so währe der Hauptsach doch nicht geholfen. Ist also vor gut befunden worden, dass man die Kirch, welche zu drey Seiten nur von Holz, samt der Mauer, so sich schon gegen vier Zoll hinausgewichen, und von innwendig den Frußboden ½ Schuh höher zu machen, als außen. Und weilen die Kirch bey großen Leichden um etwas zu klein, und die Neue um etwas höher wirdt, als die Alte, kann man gar wohl eine Borkirch (Empore), so breit die Kirche ist, und 15 Schuh lang hineinmachen.“

Sie wurde dann aber doch nicht abgebrochen, sondern von 1743 bis 1746 repariert. Das Dach wurde neu gedeckt, die Wände neu hergerichtet, neue Fenster eingesetzt und der Fußboden mit Stein-platten belegt. Dass auch früher schon ein kirchliches Gebäude gelegentlich für sehr weltliche Zwecke benutzt wurde, zeigt eine Notiz in den Kirchenprotokollen von 1830:

„Der Todengräber bewahrt sein Heu und Öhmd in der Kirchhofkirch auf. Man findet solches unschicklich und es soll demselben auferlegt werden, seinen Futtervorrath baldigst aus der Kirch zu schaffen.“

1867 war es dann endgültig soweit, dass die Kapelle abgebrochen werden musste. Im Protokoll des Pfarrgemeinderats vom 20. Oktober 1867 heißt es, dass die Kapelle seit 1861 wegen Einsturzgefahr nicht mehr benutzt werden konnte. Wie drei Jahrhunderte vorher, musste aber der Bau auch diesmal mit Spenden finanziert werden. 1863 spendete Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Marie von Württemberg, verheiratete Neipperg, hundert Gulden mit dem Bemerken, die Gemeinde dadurch zu Gaben ermuntern zu wollen. Im Juli 1864 folgten nochmal 100 Gulden; auch von Gemeindegliedern wurde darauf etwas gespendet. Anscheinend gingen die Planungen aber doch sehr zögernd voran, denn am 18. März 1865 spendete die Prinzessin nochmals 500 Gulden unter der Bedingung, dass der Bau sofort beginne. Der Stiftungsrat, der für die Verwirklichung des Baus gebildet worden war, nahm die Bedingung an und nun gab es auch etliche weitere Spenden, darunter am 1.1.1866 2.000 Gulden von der Prinzessin. Weitere Hindernisse verschieben den Baubeginn. Es gibt Streit mit dem Gräflichen Rentamt, da der Stiftungsrat der Ansicht ist, dass „nach dem Urteil jedes Unbefangenen und Einsichtigen“ der Bau nötig sei, das Rentamt jedoch mit genau dem gleichen Wortlaut den Bau für überflüssig hält. Verzögerungen verursacht auch das Oberamt Brackenheim, das auf den Antrag auf Baugenehmigung endlos lange keine Antwort gibt. Und dann wieder Schwierigkeiten mit der Finanzierung: Im September 1868 verhandeln „Gemeinderat und Bürger Ausschuß“ und beschließen u.a. folgendes:

„1. Da die Stiftungs-Pflege in Folge des Ankaufs und Einrichtung des neuen Schulhauses mit ca. 10 – 11.000 Gulden, der Renovation des alten Schulhauses mit ca. 800 Gulden und der Herstellung des dem Einsturz drohenden Kirchenturms von 2 – 3.000 Gulden mit ihrem Vermögen so herunterge-kommen ist, dass jetzt noch kaum der Aufwand für die Armen und anderer obliegenden Ausgaben bestritten werden könne, so liegt vor Augen, dass diese Kasse für jetzt zum Bau der Kirchhof – Kapelle nichts leisten kann.

2. Da die strittige Frage, ob die Grafschaft von Neipperg auch für die Kirchhof Kirche bau- und ablösungspflichtig sei, leider noch nicht entschieden ist, so wird sich der Ersatz falls zu Gunsten der Stiftungspflege erkannt würde, für diese Kasse vor behalten.

3. Wenn nun für die Erbauung der Kirchhof Kirche endlich etwas geschehen solle, so bleibt kein anderes Mittel übrig, als dass die Gemeindekasse vorschußweise eintritt. „

Am 4. Juni 1869 konnte dann die feierliche Grundsteinlegung vorgenommen werden. Der Grundstein befindet sich auf der östlichen Seite der Kapelle, unter dem Fenster des Chors. Die Urkunde lautet:

Urkunde für den Grundstein der Friedhofskapelle in Schwaigern

Nachdem die alte Friedhofskapelle, die nach einer vorgefundenen steinernen Tafel aus dem Jahr 1589 stammte, als baufällig hatte abgetragen werden müssen, wurde dieser Neubau begonnen im Anfang des Monats Mai 1869, nach dem Entwurf des Herrn Werkmeisters Belz in Heilbronn. Die Kosten des Bauwesens belaufen sich nach dem Überschlag auf 4.801 Gulden, welche soweit sie nicht durch Liebesgaben gedeckt werden können, durch Gemeinde-Umlagen beschafft werden müssen. Mit Dank und Freude sei’s zu ehrendem Gedächtnis noch für kommende Geschlechter kund getan, dass die edle Munificenz Ihrer Königl. Hoheit der Frau Prinzessin Marie von Württemberg das fürstliche Geschenk von 3.100 Gulden uns eingehändigt, weitere Beiträge im Betrag von 412 Gulden von hiesigen Einwohnern gegeben und die wohltätige Handreichung eines Mitbürgers, des Stadtschultheißen Benzlen die Glocke gestiftet hat, die nach Vollendung der Kapelle, denen die hier früher oder später ihren Wanderstab aus der Hand legen einläuten soll, zum friedlichen Todesschlaf. Der Gott aller Gnade vergelte allen denen, welche dieses heilige Werk mit ihren Gaben unterstützten und noch fördern mit reichem Segen für Zeit und Ewigkeit.

In den Grundstein wurden eingelegt:

1. 2 Denkmünzen mit dem Bilde des verewigten Königs Wilhelm; eine Stiftung ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Marie von Württemberg nebst dem diesbezüglichen Stiftungsbrief.

2. 2 Silbermünzen mit dem Bilde des jetzt regierenden Königs Karl (1 Vereinstaler und ½ Gulden).

3. Scheidemünzen des Landes Württemberg, je 1 Flasche mit Dinkel, Gerste und Haber.

4. Wein vom Jahr 1868 aus hiesiger Gemeinde.

5. 2 Kreuzerbrote, 1 Gesangbuch, 1 Spruchbuch und 1 Fibel.  

Möge der Bau unter des Allmächtigen heiligem Schutz ohne Unfall vollendet werden und Gottes und unseres Herrn Jesu Christi Gnade über unserer Stadt und Gemeinde, die gegenwärtig 2.089 Seelen zählt, jetzt und in Ewigkeit sein . So geschehen zu Schwaigern im Jahre des Heils Ein Tausend Acht Hundert Sechzig und Neun, am 3ten des Brachmonats.

Den Handwerkern, die am Bau arbeiteten, waren genaue Vorschriften bezüglich der Qualität ihrer Arbeit gemacht worden. In einem eigens dafür angelegten Heft „Bedingungen für die Bauarbeiten beim Neubau der Friedhofskapelle“ heißt es u.a.:

„Die verschiedenen Bauarbeiten sind pünktlich, nach den vorliegenden Plänen und den Vorschriften des Überschlags (gemeint ist der Kostenvoranschlag) vom besten Material, solid meistermäßig herzustellen. Haustein mit Stichen, Lagern, Gallen etc. werden unbedingt ausgeschlossen. Der Kalk muss etwa 8 – 14 Tage vor seiner Verwendung eingesumpft sein … Die Lager der Bogensteine, überhaupt jede Schicht des Stockgemäuers ist mit dünnem Speis gut auszugießen…“

Bei den Zimmerarbeiten heißt es:

„Es darf nur gesundes, schlankstämmig geradegewachsenes festes Holz verwendet werden, das im Januar oder Februar gefällt wurde …“

Bei den Gipsern:

„Die Vergipsung der Wände muss schön, flüchtig, nach Richtscheit und Senkel geschehen …“

Der Schreiner musste u.a. unterschreiben:

„Für die Güte der Arbeit hat der Unternehmer 4jährig Garantie zu leisten. Sollte durch ungenaue Arbeit sich bis dahin ein Deffect zeigen, so muss der Unternehmer dasselbe auf eigene Kosten nach Angabe neu herstellen.“

Die Schlosser:

„Die Schrauben müssen gute scharfe Gewinde haben und sind die Köpfe fest abzuschweißen.“

Und schließlich die Maler:

„Es darf nur ganz reines altes, mit Bleiglätte abgekochtes Leinöl, nebst reinen, guten haltbaren Farben verwendet werden.. .“

Die Finanzierung des Baus scheint von allem Anfang an, vom sehr zögerlichen Eingang der ersten Spenden an bis lange über die Fertigstellung hinaus die größten Schwierigkeiten und riesigen Ärger bereitet zu haben. Auch schon damals scheint man sich bei öffentlichen Bauten gelegentlich gründlich verkalkuliert zu haben. Der Kostenvoranschlag, von Werkmeister Beltz im März 1869 erstellt, nannte die Summe von genau 4.801 Gulden 30 Kreuzer. Im Juli 1870 musste aber ein Darlehen aufgenommen werden, da „die Position für Maurer und Steinhauerarbeit allein um 1.200 Gulden überschritten ist und da auch die weiteren Voranschläge sich als zu nieder ergaben.“ Und wie! Das zeigte sich dann bei der Endabrechnung, bei der die stolze Summe von sage und schreibe 8.564 Gulden 10 Kreuzer heraus kam. Dies konnte natürlich von Seiten des Auftraggebers nicht so ohne weiteres hingenommen werden. Und so sah sich der für den Bau verantwortliche Werkmeister Beltz genötigt, in einem 12 Folio-Seiten langen Brief an das „Wohllöbl. Stadtschult-heißenamt Schwaigern“ am 12. Dezember 1870 darzustellen und zu begründen:

„Erhaltenem Auftrag gemäss, beehre ich mich, bei der Erbauung der neuen Friedhofskapelle zu Schwaigern gehorsamst zu unterbreiten.“ 

Und nun folgt Position für Position eine genaue Erklärung:

 dass sich beim Graben der Fundamente alte Gräber gezeigt hätten, „so dass man stellen-weise 8-9 Fuß und darüber ausheben musste“,

 dass der vordere Giebel verstärkt werden musste, weil „gerade diese Seite den herschenden Stürmen und dem Schlagregen ausgesetzt ist“,

dass das Terrain gegen die Straße fällt und deshalb eine höhere Staffel und höhere Strebe-pfeiler notwendig waren,

 dass die Glocke die meisten Schwierigkeiten machte. „Als die Widerlagerhöhe der Fenster und Haupttüre erreicht war, erfuhr ich, dass die Glocke zur Kapelle gegossen und in der Heilbronner Industrie-Ausstellung zu sehen sei. Ich begab mich dorthin und fand hier, nicht was man mir früher sagte „ein Glöckchen“, sondern eine Glocke … von einem Gewicht von zwei Ctr. 20 Pfund. “ Dies erforderte eine umfangreiche Verstärkung des Giebels, ein Probe-läuten und eine nochmalige Verstärkung.

Dann kamen dazu ein Blitzableiter und zwei Dachrinnen.

Was die Malerei anbelangt, so ist sie deshalb in den Kosten theurer geworden als der Über-schlag, weil einfach für die Arbeit kein Meister aufzutreiben war … Der Tag der Einweihung der Kapelle als dem Geburtstag Sr. Majestät des verstorbenen Königs Wilhelm war festge-setzt und sage 5 Wochen vorher zeigte sich noch kein Liebhaber für die Malerarbeit…, so war ich genötigt, einen Heilbronner Meister zu nehmen, der selbstverständlich ein theuerer Arbeiter war, als wenn sich ein Maler aus Schwaigern dazu hergegeben hätte.“ 

Die größten Schwierigkeiten schien ihm der Bauunternehmer Nolff gemacht zu haben.:

Von Anfang an war er ein Meister, der nichts befolgte, ohne mit mir zu streiten, …

er war stets voller Ausreden, von denen die wenigsten das Gepräge der Wahrheit trugen,

er war nicht dazu zu bringen seinen Termin einzuhalten und wenn er versprach jetzt ernstlich das Geschäft zum Schluss zu bringen, so war es eine Unwahrheit…

Er zunächst trägt die Schuld, dass die Kapelle ¾ Jahr zu spät fertig wurde, nur wegen ihm mussten über den vergangenen Winter Nothläden und Nothtüren für die Kapelle gemacht werden und es wäre kein Unrecht, wenn ihm der ganze Betrag dieser Gegenstände, welche in der Zimmerarbeitsabrechnung von Gebert angeführt ist, abgezogen würde…

 Der Ärger mit Nolff schlägt sich auch noch in anderen Schreiben nieder. Nolff schein wohl auch gelegentlich in Druck gewesen zu sein, wenn er bei einer Forderung an das Stadtschultheißenamt schreibt: „… ich glaubte den Zahltag auf nächsten Samstag verlegen zu können, allein es ist das Bedürfnis größer als der Fleiß.“

Vielleicht war er auch überfordert, wenn man Beltz glauben darf:

„Bei dem Wirrwar im Geschäftsbetrieb des Nolff, der Gleichgültigkeit der Arbeiter und deren Qualität lassen sich leicht diese unerhörten Taglohnangaben denken…“

Oder wollte er das wieder hereinholen, was er in seiner Submissions-Offert vom 15. März 1869 nachlassen wollte (mußte?):

„Der gehorsamst Unterzeichnete erbietet sich, die Maurer und Steinmetzarbeit … um 5 ½ Prozent billiger zu fertigen als solche im Überschlag angenommen. Hochachtungsvollst Nolff“.

Schließlich kommt Beltz noch einmal ganz kräftig unter Beschuss, als er seine eigene Honorar-forderung als Architekt vorlegt und für die Bauleitung 398 Gulden 40 Kreuzer forderte. Der Gemeinderat meinte dazu:

„Wir gestehen, dass diese Rechnung uns als das Ungeheuerlichste vorkommt, was in dieser Baugeschichte vorgekommen ist. Ist es bei den Verhältnissen, über welche H.B. vollkommen ins Klare gesetzt war, schon unverantwortlich, dass die Kosten den Voranschlag um 50 % übersteigen, so übertrifft diese Rechnung doch alles andere, denn sie ist um mehr als 100 % höher, als im Vorschlag. Sollten auch hieran die Terrainverhältnisse schuldig sein? Wir können es mit unserem Gewissen nicht vereinigen, diese Rechnung anzuerkennen, wir halten uns dadurch für „beschwert“ und wird einstimmig beschlossen: Dieselbe zurückzuweisen, H. Beltz aber ein für allemal 200 Gulden für seine Bemühungen anzubieten. Es ist dies für ein Nebengeschäft bei welchem H.G. sein Taggeld bei der Grafschaft bezog, jedenfalls gut honoriert in Anbetracht, dass wir für die praktischen Erfahrungen des H.B. ein teures Lehrgeld bezahlten, sogar glänzend.“

Schließlich und endlich griff Prinzessin Marie nochmals ein und übermittelte im Mai 1871 „zur Deckung des Defizits vom Bau der Friedhofskapelle neuerdings die reiche Gabe von 2.010 Gulden.“ Damit hat die Prinzessin insgesamt 5.260 Gulden für die Kapelle gespendet. Ein kleiner Trost für die hart geplagten Auftraggeber, wenn der die „Kostenzettel“ (Rechnungen) überprüfende Baurat Barth aus Heilbronn feststellte:

„Die wirklichen Kosten von ca. 7.321 fl (Gulden) stehen auch zu dem Bauwesen nach seiner Größe, soliden Ausführung und architektonischen Ausstattung in günstigem Verhältniß , da mit diesem Aufwand die Stadt Schwaigern ein schönes Bauwerk erhalten hat, das die Mehrkosten wohl wert ist.“ Inzwischen ist die Kapelle aber längst eingeweiht. Prinzessin Marie, die zu dieser Zeit nicht mehr in Schwaigern wohnte (ihr Mann, Graf Albert von Neipperg war 1865 nach jahrelanger Krankheit gestorben), wünschte, dass die Kapelle am 27. September 1870, dem Geburtstags ihres Vaters, des Königs Wilhelm I. eingeweiht werden möge. Der Verlauf der Einweihungsfeierlichkeiten wurde, wie damals üblich, in der Kirche angekündigt und zwar am „XV.p.Trin.“ – also am 15. Sonntag nach Drei-einigkeit:

„Am nächsten Dienstag: Einweihung der Friedhofskapelle und Sammlung in der Kirche. Um 9.00 Uhr das erste, 9 ¼ Uhr das zweite Zeichen, 9 ½ Uhr Abgang des Zuges von der Kirche zum Friedhof in folgender Ordnung:

1. Lehrer mit den Schulkindern der obersten Klassen

2. Das Kind, das den Schlüssel trägt

3. Baumeister und Werkführer

4. Ortsvorstand und bürgerliche Kollegien

5. Geistlichkeit und Pfarrgemeinderat

6. Die übrige Gemeinde a) Frauen b) Männer  

Der Zug bewegt sich unter Glockengeläute und Gesang der Schulkinder zum Portal der Kapelle, woselbst der Schlüssel durch den Baumeister dem Ortsvorstand und durch diesen der Geistlichkeit übergeben wird. Nach Aufschluß des Hauptthors folgt eine kurze Rede des Stadtpfarrers, sodann die Einweihung der Kapelle durch H. Dekan Jäger; ferner Ansprache des H. Pf. Eytel als Abgesandten Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Marie, endlich Schlußrede und Gebet des H. Diaconus Erhardt. Die Gemeinde wird zu zahlreicher Theilnahme an dieser Festfeier herzlichst eingeladen. In der Kapelle nehmen die Frauen und Männer je abgesondert in ordentlichen Reihen rechts und links ihre Plätze ein.“ Damit war also endlich die Friedhofskapelle ihrer Bestimmung übergeben. In damaliger Zeit wurden viele Kirchen im sog. neugotischen Stil renoviert oder auch erbaut. So auch die Friedhofskapelle: Die spitzbogigen Fenster, die Stützpfeiler, die Rosette am Westgiebel zeigen dies. Als Schmuckstück galt sicherlich auch das farbige Fenster im Chor. Man mag heute über diese kräftigen Farb- und strenge Formgestaltung geteilter Meinung sein; Tatsache ist, dass das Fenster vormittags bei Sonnenschein einen wunderbaren Farbeffekt in den Innenraum zaubert. Die Glocke, deren Gewicht dem Architekten so viel Kopfzerbrechen machte, wurde von Stadtschultheiß Benzlen gestiftet; sie erklingt heute noch bei der Beerdigung evangelischer Gemeindeglieder während des Ganges der Trauergemeinde von der Aussegnungshalle zum Grab. Die von Beltz für notwendig er-achtete Verstärkung des Turms hat sich also bewährt. Unterhalb der Glocke ist eine heute schwer zu entziffernde Inschrift in den Sandstein gehauen:

„Die richtig war sich gewandelt haben kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern“. Darunter: „Erbaut 1870 von Architekt E. Beltz durch G. Nolff.“ Früher blieben die Verstorbenen in aller Regel bis zur Stunde der Beerdigung im Sterbehaus. Dort sammelte sich die Trauergemeinde und zog gemeinsam hinter dem Sarg unter Glockengeläute zum Friedhof. Die Aussegnung erfolgte in der Regel am Grab. Die Kapelle wurde deshalb nur bei schlechtem Wetter für die gottesdienstlichen Handlung bei einer Beerdigung benutzt. Im Sommerhalbjahr 1910, als die Stadtkirche renoviert wurde, fanden hier die Gottesdienste statt. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg wurde unterhalb des ursprünglichen hölzernen tonnenähnlichen Gewölbes die jetzige Flachdecke eingezogen. Man wollte einerseits einen heizbaren Gemeinderaum schaffen, in dem u.a. der Konfirmandenunterricht abgehalten werden konnte; andererseits konnten in den Wintermonaten auch die Gottesdienste hier gehalten werden, weil die Heizung der riesigen Stadtkirche sehr kostspielig war und weil dann besonders während des Krieges und in der ersten Nachkriegszeit kein Heizmaterial vorhanden war. Erst 1944 wurde die Empore „als längst vermißte Sitzgelegenheit für Männer“ eingebaut. Als sich nach dem Krieg durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen die katholische Gemeinde zahlenmäßig sehr stark vermehrte, wurde ihr die Kapelle für den Gottesdienst zur Verfügung gestellt, bis 1964 die Martinskirche bezogen werden konnte. 1966 ging die Kapelle in den Besitz der Stadt Schwaigern über, da die evangelische Kirchengemeinde, die Vorbesitzerin, keine Verwendungsmöglichkeit mehr sah. Damals waren Überlegungen im Gange, durch einen Umbau eine Aussegnungshalle zu erhalten. Dass diese Gedanken nicht realisiert wurden, mag das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Rechnung gewesen sein. Wir meinen aber, dass dieses Gebäude durch die Einrichtung eines Heimatmuseums einer Nutzung zugeführt wurde, die durchaus sinnvoll und der Würde des Hauses entsprechend ist.

Quellen:

Gemeinderatsprotokolle der Jahre 1868 bis 1871 Protokolle des Pfarrgemeinderats Auszüge aus den Aufschrieben von Karl Wagenplast „Beylagen zur Friedhofskapellen Baurechnung“.

 

1982 zusammengestellt von Werner Clement