Grabstein Haab

Auf der anderen Seite der Friedhofkapelle, auf der Nordseite, im Sommer von Farnkraut halb zugewachsen, stehen zwei Grabsteine, denen der Zahn der Zeit kräftig zugesetzt hat. Etwa in der Mitte des Gebäudes ein verhältnismäßig schlichter, heller Stein, an dessen unterer Hälfte ein ganzes Stück der Vorderseite ausgebrochen ist, so dass ein Teil der Inschrift fehlt. 

Die Inschrift lautet:

Der theuersten Gattin und Mutter und Ihren 7 vorangegangenen Kindern

Von der Maria Augusta Haab, der dieser Grabstein gewidmet ist, ist nicht allzu viel bekannt. Sie war eine Tochter des schon erwähnten Pfarrers Bertsch in Klingenberg, hatte 1783 den Philipp Heinrich Haab geheiratet, der zwei Jahre später als Diakon (auch Helfer oder Mitpfarrer genannt) nach Schwaigern kam. An diesem Gedenkstein kann man nicht ganz unberührt vorübergehen. Von den sieben Kindern, die hier erwähnt werden, sind sechs im Kindesalter mit weniger als sieben Lebensjahren gestorben; in knapp sechs Jahren musste die Familie sechs Kinder beerdigen. Gewiss, die Säuglings- und Kindersterblichkeit war allgemein hoch und war in dieser Familie sicher keine extreme Ausnahme, aber wenn man sich dies anhand konkreter Zahlen vergegenwärtigt, wird einem doch die Tragik damaliger Lebensumstände eher bewusst.
Die jüngste Tochter, Johanna Heinricka Wilhemina, das einzige der acht Kinder, das die Mutter überlebte, heiratete 1821 in Berwangen den gräflichen Rentamtmann Hölder, der hier in Schwaigern tätig war und nach dem später eine Straße benannt wurde: die heutige Mörikestraße. Ein direkter Nachfahre der Familien Haab – Hölder lebt heute in Heilbronn.

Mit dem Ehemann der Maria Augusta Haab, dem Magister Philipp Heinrich Haab, müssen wir uns etwas näher befassen. Von 1785 bis 1803 hier als Helfer tätig, dann, nach dem Tod von Georg Valentin Baur, ab 1803 als Oberpfarrer bis zu seinem Tod 1833 mit 75 Jahren.

Haab muss nicht nur auf theologischem, sondern auch auf schulischem Gebiet eine herausragende Persönlichkeit gewesen sein. Zur Klärung: der Ortsgeistliche war damals – bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts – der Vorgesetzte der Lehrer (Ortsschulinspektor) und hatte den Unterricht und die Lehrer zu beaufsichtigen. Haab erließ eine „Vorschrift zur Errichtung der Sonntagsschule in der Herrschaft Neipperg“. Die Sonntagsschulen waren in jener Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Pflicht-Fortbildungsschulen gerade im Entstehen. Sehr viel Mühe machte sich Haab um die Herausgabe eines Lesebuchs, sowohl für die Fortbildungsschulen als auch für die Volksschulen. Lesebücher gab es damals noch keine. Und von höchster Stelle wurde empfohlen, das Haab’sche Lesebuch auch an anderen Schulen einzuführen (dass dies wenig befolgt wurde, lag nicht etwa an mangelnder Qualität des Buches, sondern hatte andere Gründe. Es sollte noch ein halbes Jahrhundert vergehen, bis in allen Schulen Württembergs die Einführung eines Lesebuchs durchgesetzt werden konnte!).

1810 wurde Haab vom Prälaten Dettenhofer in Heilbronn beauftragt, regelmäßig vierteljährlich „Schulkonferenzen“ abzuhalten, also Fortbildungstagungen für alle Lehrer des Bezirks. Ein Zeichen dafür, dass Haab auch höheren Orts ein entsprechendes Ansehen hatte. Er war auch Verfasser verschiedener theologischer Schriften, u.a. gab er ein Konfirmationsbüchlein heraus und eine griechische Grammatik.

Eines der einschneidendsten Ereignisse während seiner Amtszeit war wohl der katastrophale Brand im Oktober 1811. Das ganze Viertel zwischen Gemminger- und Liominstraße, zwischen Stadtmauer und dem heutigen Marktplatz (damals nur eine schmale Straße) brannte damals ab, 90 Gebäude insgesamt. Die Predigt, die Haab an einem der darauf folgenden Sonntage hielt, ist heute noch erhalten. Sie versucht, den von diesem schrecklichen Unglück Betroffenen Trost und geistlichen Rückhalt zu geben. Aber es blieb nicht beim Trost allein. Haab verwaltete und verteilte die vielen Gelder, die von auswärtigen Spendern kamen, von Einzelpersonen und von Gemeinden, von umliegenden Orten und von weither, u.a. von Markgröningen, Stuttgart, Waldenbuch, Esslingen, Oppelsbohm, Mengen … Karl Wagenplast schreibt in seinem Büchlein zum Feuerwehrjubiläum 1970 ausführlich darüber.

Haab war, ähnlich wie sein Vorgänger Baur, fast ein halbes Jahrhundert als Helfer, Oberpfarrer, Stadtpfarrer (ab 1806 so tituliert) in Schwaigern. Beide haben wohl – das dokumentiert ihre lange Dienstzeit hier – segensreich gewirkt und müssen ein recht gutes Verhältnis zur Gemeinde gehabt haben